Reformierte Kirchgemeinde Solothurn
Ref. Kirchgemeinde Solothurn
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Und sie scheint ja doch!!

HORIZONTE-Kurs 5/12, 5. Mai 2012: Burgkirche Ringgenberg
Hoppla, habe ich Sie gekitzelt?
Ich bin ein Sonnenstrahl der mittleren Brigade Berner Oberland, Abteilung Brienzersee, rechte Uferseite. Sie dürfen mir nicht übel nehmen, wenn ich Sie eben mal blende. Ich bin eine Frohnatur mit viel guter Laune, direkt geflogen vom Himmel, tanzend, hüpfend, lachend, kaum berechenbar. Hie und da habe ich aber Erbarmen mit dem Tourismusverband Interlaken. Immer  diese Touristen… ständig wollen sie mich dabei haben. Mit mir als Reisebegleitung ist ihr Ausflug jeweils noch mal so schön.
Wer macht denn nun da unten so viel Lärm? Huiiiiiiiii, das ist das Horn des Dampfers Jungfrau. Ach du grüne Neue, ich plaudere hier mit Ihnen und habe dabei glatt meinen eigentlichen Auftrag vergessen. Um 11.07 Uhr an der Schiffländte von Interlaken Ost soll ich doch heute die Gruppe HORIZONTE aus Solothurn in Empfang nehmen und sie auf ihrer Reise mit dem Schiff zur Burgkirche Ringgenberg begleiten. Auch eine kurze Wanderung ist geplant. Essen wollten sie direkt am See. Und nun das!
Die Gruppe befindet sich bereits auf dem Schiff. Meine feuchten Kollegen von der Regentropfenarmada sind noch voll in action. Es nieselt, es tröpfelt, es giesst. Die armen Menschen! Nun steigen sie vom Schiff in Ringgenberg und verschwinden im Wintergarten des Hotels Seeburg, direkt am See gelegen. „Nehmt mal das Mittagessen ein, vielleicht kann ich unterdessen den Schaden wieder richten und mit Unterstützung meiner Mutter, der Frau Sonne, die hartnäckigen Regenwolken und Nebelfetzen verjagen. Das wird ein grosses Stück Arbeit. Tschüssi unterdessen…“
Natürlich sorgt bei den Leuten drinnen beim leckeren Mittagessen das Wetter für Gesprächsstoff. Aber siehe da, pünktlich zum Aufbruch zur Burgkirche wird es plötzlich merklich heller. Mit meinen paar tausend Geschwistern haben wir ganze Arbeit geleistet: der Himmel ist blau, ein paar Wölklein nur noch und jede Menge Sonnenschein. Die Menschen schlendern den kurzen Pfad zur Kirche hinauf, einigen mache ich schon warm. So wird bereits die eine oder andere Jacke ausgezogen. Dank unserem Auftauchen kann die historische Anlage bei bestem Wetter besucht werden. Die Führung des Ortspfarrers, Herr Pfr. Andreas Schiltknecht, ist kompetent und vielfältig. Feierliche Musik ertönt im Inneren des Kirchenschiffes. Erste Informationen fliessen. Eigentlich finden sich nach reformierter Art hier in den Wandmalereien keinerlei Gestalten, nur (barocke) Ornamente. Doch das Gesicht eines kleinen Engelchens guckt an einer Stelle doch hervor. Wer findet es?

Was für eine Pracht...

Die Burg ist ein geschichtsträchtiges Gebäude, ihre Mauern haben vieles schon gesehen und erlebt. Der Freiherr Kuno von Brienz (später Ringgenberg) errichtete um 1240 in paradiesischer, idyllischer Landschaft auf diesem Felsrücken eine Dienstmannenburg. Von ihrem bedeutendster Vertreter, Johannes d. Ä. von Ringgenberg (ca. 1270 bis 1350) finden sich sogar einige Lieder und Verse in der Manessischen Liederhandschrift. Er war auch Gefolgsmann von Kaiser Heinrich VII. Das einfache Volk in Ringgenberg war arm, zum Teil etwas eigenartige Bauweisen der Häuser zeugen davon.
1308 wurde ein Burgrechtsvertrag mit Bern geschlossen, 1351 musste Philipp II. Burg und Teile der Herrschaft an die Propstei von Interlaken verpfänden.

Die Gruppe besteigt den Ostturm der Anlage. Er beherbergte trotz imposanter Grösse nur einen Festsaal. Der Rest war mehr zum Renommieren angelegt, zu Land oder auch zu Wasser. An der Südwand finden sich eigenartige Nischen, wohl zur Taubenzüchtung, die Vögel wurden mit Falken aufgescheucht und erledigt.
Der Zahn der Zeit nagte an dieser Burg, an vielen Stellen bröckelte schon wieder der Mörtel aus den Ritzen, weshalb 2006 bis 2008 erneut restauriert wurde. Wenn schon jeder Stein wieder frisch mit Mörtel befestigt werden musste, so war es der Kirchgemeinde Ringgenberg, als Besitzerin der Anlage ein Anliegen, dass diese Klein- und Kleinstarbeit sichtbar blieb und z. B. der Turm neu begehbar wurde. Filigrane Gitter, zum Teil per Helikopter in den Turm geflogen und zu einem luftigen Ganzen zusammengefügt, bilden eine Plattform in luftiger, schier Schwindel erregender Höhe. Neue Löcher zur Aufhängung durften nicht eingelassen werden. Wirklich eine knifflige Aufgabe für den Statiker, die ihm aber perfekt gelungen ist. Die Aussicht ist wunderschön von diesem wunderschönen Flecken Erde, und fast ein wenig wie Fliegen.
Der letzte männliche Freiherr zu Ringgenberg, Petermann, versuchte sich durch eine Steuererhöhung zu sanieren, was zum Aufstand 1380/81 führte, der von Unterwalden unterstützt wurde, weil dieses südlich des Brünigpasses expandieren wollte. Im sogenannten „Ringgenberger Handel“ wurde die Burg gebrandschatzt. Die von Bern angerufene Eidgenossenschaft griff ein, das Bauwerk wurde aber nicht wieder hergestellt. 1386 zog Petermann, der letzte männliche Ringgenberger, nach Bern wo er um 1390/91 starb. Seine Grabplatte findet sich in der französischen Kirche Bern. Seine beiden Töchter, Beatrix und Ursula, veräusserten schlussendlich die Anlage an das Kloster Interlaken. Die Burg zerfiel. Zur Kirche gingen die Ringgenberger den recht langen und mitunter beschwerlichen Weg nach Goldswil, heute steht noch die Ruine, umgeben vom wohl schönsten gelegenen Friedhof des Berner Oberlandes... Vorsichtshalber gab es dort ein Krankenhaus, in dem Todkranke des weitläufigen Kirchengebietes den Winter verbrachten, überlegt mal wieso… Damit der sonntägliche Kirchgang nicht mehr so beschwerlich war,  wurde 1670/71 in die Burgruine Ringgenberg eine Kirche eingebaut (unter Baumeister Abraham Dünz I), so ist denn die heutige Burgkirche entstanden, zu einem grossen Teil aus den alten Steinen. Im Innenhof wurde der Friedhof angelegt.
Die Kirche ist wegen dem kostengünstigen und kräftesparenden Einbau auch nicht genau gegen Osten ausgerichtet. Nun zeigt wenigstens eine Platte am Boden seit der letzten Restaurierung die genauen Himmelsrichtungen an.
Schon wiederholte Male wurde die Kirche restauriert, zuletzt eben von 2006 bis 2008. 1928 wurde die Anlage unter Bundesschutz gestellt. Der bekannte Musiker Felix Mendelssohn Bartholdy spielte im Sommer 1947 (seinem Todesjahr!) mehrmals Improvisationen an der Orgel. Dann liegt die Kirche am Jakobsweg. So ergab es sich, dass eine Pilgerin spontan zur Gruppe stiess und den Worten von Pfarrer Schiltknecht lauschte. Auch den Glockenturm durfte die Gruppe besichtigen, schön sind die einzelnen Glocken eingebaut und prächtig ist die Aussicht von dort oben. Eine Glocke trägt sogar eine Inschrift von Solothurn.
Wie im Fluge eilte die Zeit dahin. Zum Abschluss durfte sich die Gruppe bei einem selbst gebrauten Punsch stärken, bevor es wieder weiter ging. So fein! Schon zu Beginn wurden die Sinne verwöhnt mit musikalischer Untermalung im Kirchenraum. Schnell war man beim Austausch wieder in der Gegenwart angelangt mit Themen, die die heutige Kirche beschäftigen.
Vorbei an einem blühenden Apfelbaum aus der Kirchenmauer (!) verliess die Gruppe die Burgkirche und trat ihren Rückweg an über den Katzenpfad. Zu wildromantischen Ecken, auf schmalen Pfaden, über die imposante, hohe Eisenbahnbrücke, entlang dem Aarekanal führte die leichte Wanderung zurück nach der Schiffländte Interlaken Ost.
... ab der Burgkirche war das Programm der Gruppe HORIZONTE recht unerwartet doch noch eingehüllt in strahlenden Sonnenschein. Auch Sonnenstrahlen sind halt manchmal kleine Plaudertäschchen…

Flyer Burgruine Ringgenberg (pdf, 795 kB)

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